Sonntag, 26. September 2010

Anstelle vieler Worte...

Ausblick über den Slitere Nationalpark vom obersten Deck des Leuchtturms – im Vordergrund eine Webcam(Natürlich mit Aufkleber des Baltic Green Belts versehen), deren Bilder hier zu sehen sind

Am Samstag haben wir zehn dieser Markierungspfähle für einen Fahrradweg eingegraben.


Ein Geschenk von Irkasch – leckere Pfifferlinge!

Hier sitze ich gerade – am Haupteingang eines Internates, dem Wlan Hotspot meines Vertrauens.
Die SchülerInnen haben sich langsam aber sicher an den komischen Ausländer mit seinem Netbook gewöhnt, nur noch selten komme ich mir sehr fehl am Platze vor ;)

Und hier wohne ich – die Treppe hoch. Ein gemütliches Holzhaus, in dem Vilnis, Irkasch, Helmutz und ich wohnen. Die Katze auf der Motorhaube heisst übrigens Minka :-)

Grandiose GIMP-Künste: 
Hier bin ich mit Helmutz (2) zur Kontrolle eines Schwarzstorchen Nestes (1), man beachte, dass das Nest in einer Höhe von etwa 13 Metern liegt, Helmutz also noch etwas höher ist. Leider hatte das Schwarzstorchenkücken nicht überlebt – es war nur noch der Ring sowie Knochen und Federn zu sehen.

Donnerstag, 23. September 2010

Nächtliches Gebrüll

*Tock tock tock* - irgendwas kommt mir bekannt vor. Habe ich das gerade geträumt? Moment, da ist Licht an und es läuft jemand auf dem Flur entlang. „Ich also nix geträumt“.
Schlurfend öffne ich Tür: yes please?
Und schon ziehe ich mich um kurz vor zwölf wieder an und mache mich mit Vilnis auf den Weg – denn es ist die erste klare Nacht, seit dem ich hier bin. Der Mond und tausend Sterne überziehen die nächtliche Landschaft mit einem silbernen Glanz. Die Luft ist unglaublich klar und frisch – ideale Bedingungen, Rotwild und Elche bei ihren verbalen Revierkämpfen zu belauschen.
Bevor wir zu einer geeignet Stelle für den totalen Lauschangriff kommen stellt sich uns aber ein tapferer Waldbewohner in den Weg und lässt uns nur schwer passieren.
Eine Nachtschwalbe - zum Greifen (und Überfahren) nah

Eine Nachtschwalbe (Nightjar) sitzt auf der Straße und lässt sich vom Scheinwerferlicht nicht irritieren.

Kurz nach dieser Zwangspause erreichen wir auch schon unseren ersten Lauschpunkt. Ich steige langsam aus dem Auto aus, schließe dir Tür leise und mache mich auf Zehenspitzen auf, Vilnis ein Stück in die Dunkelheit zu folgen. Kurz daraus ertönt auch schon ein Ruf – laut und widerhallend wie ein Donner ertönt der Brunftsruf eines Rothirsches. Durch das Fernglas ist auf einer Waldlichtung auch der Platzhirsch zu erkennen – im Hintergrund sieben Kühe, sein Harem.
Ich wusste ja, dass so ein Hirsch laut wird, aber solch eine Geräuschskulisse hatte ich bei Weitem nicht erwartet – unglaublich! 
Nächtlicher Einsatz

So fahren wir dann noch einige Punkte ab, lauschen Platzhirschen bei ihrem Brunftsruf und „Youngsters“ bei ihren Versuchen, sich gegen zwei Konkurrenten durchzusetzen – das geht durch Mark und Bein.
Meine Kamera vermag bei nächtlichen Verhältnissen leider keine guten Bilder von den Viechern in 300 Metern Entfernung zu machen, daher gebe ich hier mal ein paar Links, wie es etwa ausgesehen hat:


Auch waren alle Elche abgetaucht, Vilnis vermutet, dass sie evtl. schon schlafen und die Dämmerung wieder nutzen werden. Ich folge ihnen um halb drei, etwas durchgefroren aber sehr glücklich, ins Land der Träume.

Einen lieben Gruß an meinen lieben Bruder, der heute Geburtstag hat,
Erik vom Baltic Green Belt

Sonntag, 19. September 2010

Regen, Regen und.... Regen

Moin Wochenende gestaltet sich sehr unspektakulär - es regnet die ganze Zeit und ich fleetze mich in der Stube vorm Kamin auf dem Sofa. Ich habe herausgefunden, dass "wir" PayTV haben und auf einem Sender, "Viasat1000 Action East", die Creme dela Creme der Hollywood Blockbuster mit viel Wums läuft - was kann es Schöneres geben?
Gut, ich bin zwar nicht nach Lettland gefahren, um Fernsehen zu glotzen, aber auch das gehört doch irgendwie zur Kultur dazu und wenn ich mich dem komplett verwehre, könnte man mir mangelnden Integrationswillen unterstellen - und das wollen wir doch nicht, oder? Ausserdem ist Vilnis übers Wochenende nach Riga gefahren und.... ich bin um keine Ausrede verlegen ;)

Eine Neuerung gab es aber dann doch: Ich hatte meine erste Zecke!
In glauben an die Allmacht der Zeckenkarte (zu erwerben bei jedem Apotheker des (Miß)Vertrauens) denke ich mir nichts groß dabei. Ich packe also seelenruhig die Zeckenkarte aus, platziere sie wie auf der Abbildung zu sehen vor der Zecke und schiebe.
Errrm.. Was ist das? Die Zecke blieb nicht - auf dem Bild suggeriert - stecken und lässt sich nun ohne Probleme entfernen. Nein nein nein, sie rutscht statt dessen einfach drunter durch. Es passiert: Nüscht!

Klasse. Ganz großes Kino denke ich mir. Da vertraut man einmal der Werbung und einer gut ausgebildeteten Apothekerin und was hat man davon? Die Gedanken an Borreliose und die damit verbundene Panik machen sich doch langsam aber sicher bemerkbar.

Doch keine Aufregung - Vilnis ist vorbereitet. Auf Nachfrage zeigt er mir ein wunderbares Instrument schottischer Ingenieurskunst (Zumindest hat es ihm ein Schotte geschenkt) und dank dieser internationalen technischen Zusammenarbeit bekomme ich die Zecke doch noch heraus.
Mein Rat lautet also: Hände weg von der Zeckenkarte und bei diesem Gerät hier zugreifen!

Beste PayTV Grüße aus Mazirbe (Das Dorf in meiner Nähe),
Erik

Ps.: Ein kleiner Nachtrag zu "Men in Trees" - Ein Bild, das Vilnis von mir geschossen hat, nachdem ich etwa 3 Stunden in dieser Position ausgeharrt hatte. (Bei Interesse: Das Bild ist geogetagged)

Mittwoch, 15. September 2010

Men in Trees

*Tock Tock* - ich wache auf. Schaue auf meinen Wecker und dieser zeigt mir 5Uhr an. Vilnis macht also ernst.
Mechanisch ziehe ich meine Klamotten an und gehe zur Tür: „We're going?“ frage ich in die Dunkelheit - „We are going“ kommt unmittelbar als Antwort – Vilnis ist hell wach, ich nicht.

Worauf ich mich wohl eingelassen habe, als ich gestern sagte: „Why not?“.
Mit warmen und regenfesten Klamotten am Leib, zwei Paar Socken und Gummistiefeln am Bein fahre ich mit Vilnis hinaus in die Dunkelheit. Zuerst geht es über die Landstraße, dann über einen Waldweg, der uns in den noch dunkleren Wald führt. Bald schon laufen wir zu Fuß durch dunklen Wald, krachendes Totholz und hüfthohes Wasser – nur erleuchtet von unseren Kopflampen. Nach einer guten halben Stunde Fußmarsch zeigt mir Vilnis meinen Baum, der in drei Meter Höhe eine kleine Plattform trägt – mein Lager für die nächsten 3 Stunden. Mein Ausblick auf eine Lichtung, die sich schon bald mit Elchen, Wölfen und allem was sonst noch so kreucht und fleucht füllen wird – glaube ich zumindest.

Tatsächlich sehe ich in jedem grauen Schatten ein Tier, jedes sich bewegende Blatt und jeden sich bewegenden Strauch nehme ich genau unter die Lupe und bei noch so genauem Hinsehen bin ich mir einfach nicht sicher, ob ich mich täusche oder tatsächlich einen Elch vor Gesicht habe. 
 (Lichtung bei Tage - nix los)

Als die Sonne langsam aufgeht merke ich, dass ich mich wirklich jedes Mal getäuscht habe – die meisten Schatten haben sich nicht vom Platz bewegt und werden mit einem Mal zu Hecken und Sträuchern. Um neun Uhr kommt dann Vilnis von der gegenüber liegenden Seite der Lichtung zu mir gelaufen und holt mich von meinen Baum herunter – heute hatten wir kein Glück. Wahrscheinlich haben die von uns angezogenen Mücken solch einen Lärm gemacht, dass jedes auch nur halbwegs klar denkende Tier einen großen Bogen um uns gemacht hat.

(Sich tot stellende "Gras Snake" - das macht sie verdammt gut)
Auf dem Rückweg zeigt mir Vilnis immerhin jede Menge Spuren von Tieren, die in in der Nähe gewesen sind – ob die Spuren von heute oder gestern sind kann er leider nicht genau sagen. Ich für meinen Teil bin sicher, zumindest das Röhren eines Elches gehört zu haben, vielleicht hat er mich auch auf meinem Baum auch nur ausgelacht, aber immerhin – so denke ich mir - war er da. 

(Die Burg im Größenvergleich mit Vilnis - oben ist nur die äußerste Kante zu sehen)

Etwas weiter kommen wir zu einer alten und riesigen Biberburg, die laut Vilnis seit letztem Winter verlassen ist, weil entweder der Winter zu hart war und die Biber abgewandert sind oder sich ein Wolf über die Burgherren her gemacht hat. Beeindruckend, welch große Fläche so ein Nager unter Wasser setzen kann und wie tief das Wasser reicht. Auf der Rückseite entdecken wir aber doch noch Spuren eines Bibers – jedoch nur von einem Jungtier. Vilnis mutmaßt nun, dass das Biberareal zu groß wurde und frische Bäume zu weit entfernt von der Burg lagen, so dass es für einen Räuber einfach wurde, den Bibern aufzulauern. Nur ein Junges blieb über, welches nun verzweifelt versucht die Burg zu erhalten. Der sinkende Wasserspiegel deutet aber darauf hin, dass es ihm nicht gelingen wird – welch tierische Tragödie.

(Auf Tuchfühlung mit Biberkunst - drei Stämme eines Baumes, 
jeweils von innen angenagt)

Ich für meinen Teil schaffe es gerade noch meine müden und eingefrorenen Beine ins Auto zu hieven – kaum dass der Tag begonnen hat (es ist gerade einmal 14 Uhr) könnte ich vor lauter Erschöpfung schon wieder schlafen gehen – und das tue ich auch.
Gute Nacht! (...oder eher guten Nachmittag...)

Dienstag, 14. September 2010

In der grünen Hölle (oder auch: Mein erster Arbeitstag)

In der grünen Hölle (oder auch: Mein erster Arbeitstag)


Abstract:
Mein erster Arbeitstag führt mich durch den dichten und sumpfigen Wald mit all seinen lieben Einwohnern, vor allem Spinnen und Mücken. Trotz anderer Vorsätze nehme ich zum wiederholten Male eine Abkürzung und bekomme die gerechte Quittung - einen langen und beschwerlichen Heimweg.


Jahrhunderte lang haben Menschen versucht, sich die Natur untertan zu machen. In weiten Teilen Europas hat es auch wunderbar geklappt - Jahrzehnte der Industrialisierung haben kaum einen Flecken Landschaft unberührt gelassen - sie ist ein wie für uns Menschen gemachter Ort geworden. Der Slitere Nationalpark hat von dieser Entwicklung noch nichts mitbekommen - die Myriaden von Mücken eben sowenig.

Mein erster Arbeitstag beginnt sehr unaufgeregt:
Ich fahre mit Vilnis ins Büro, werde allen 14 Mitarbeitern vorgestellt (die meisten kenne ich schon von Freitag), klappe mein Netbook auf, gehe ins Netz, lese und schreibe Emails und dann endlich geht's mit der Besprechung meiner Aufgaben los (Kurz vorher hiess es noch "I do not know what to do with you right now" - das Lesen meiner Bewerbung hilft aber anscheinend)
Zum einen soll ich ein Buch (Die Naturschonstätte Moritzholm) aus dem Jahre 1931 ins Englische übersetzen, zum anderen soll ich verschiedene Kartierungen vornehmen:
- Den Bockkäfer Nothorinha Punctata, zu erkennen an harzigen Stellen an Kiefern,
- Spuren von Wild in einem bestimmten Gebiet
- Als Wege offen gehaltene Dünenabschnitte, legale und illegale Wege
Außerdem darf ich mich mit den Management- und Tourismusplänen auseinandersetzen (wenn ich möchte)

So viele verschiedene Aktivitäten hatte ich gar nicht erwartet und nun frage ich mich schon fast, ob die fünf Wochen dafür ausreichen werden - man darf gespannt sein . Um auch ja keine Zeit zu verlieren fahre ich dann auch nur noch kurz nach hause um meine hüfthohen Gummistiefel zu holen (die ich nachher noch lieben lerne) und dann entlässt mich Vilnis auch schon in die Wildnis.


Ich beginne an der westlichen Außenkante des Nationalparks, doch da die Straße nicht an den Strand heranreicht (was auch sehr gut so ist) entlässt mich Vilnis einige hundert Meter vorher. Ich soll nur dem Verlauf eines kleinen Flusses folgen. Als erste Vorbereitung besorge ich mir einen festen Stock, den ich als Stütze, aber auch vor allem dafür benutze, die vielen Spinnennetze vor mir zu entfernen. Es sieht zwar bestimmt nicht sehr cool aus, wenn ich mit dem Stock vor mir wedelnd durch den Sumpf laufe, aber das dauernde Wedeln hat sich bereits bei meinem Ghanaaufenthalt bezahlt gemacht. Ich habe keine Angst vor Spinnen, allerdings ist es ein mehr als unangenehmes Gefühl mit dem Gesicht voran in ein großes Spinnennetz zu rennen und nicht zu wissen, wo die Spinne nun Sitzt - am Hals oder am Mund? Im Haar oder auf der Stirn? Vielleicht ist sie doch an der Pflanze geblieben? Die Momente, in denen die Technik versagte, reichten mir bereits aus - mehr „Thrill“ brauche ich nicht, zumal ich sowieso die gesamte Zeit damit beschäftigt bin, die Mücken und Bremsen zu verscheuchen. Würden alle Spinnen genauso viel Zeit auf die Mücken verwenden wie ich, anstatt sich den ganzen Tag faul in ihren Netzen zu fleetzen, wäre die Welt ein schönerer Ort. Ich hatte einige Gelegenheiten, diesen Gedanken an sehr nahe gekommene Spinnen zu erläutern - ich befürchte nur, sie waren zu sehr mit sich selbst und ihrem zerstörten Zu hause beschäftigt.

Weil mir Vilnis erklärt hatte, ich brauche nur dem Fluss zu folgen, um an den Strand zu kommen, lande ich einige Male mitten im Schilfgürtel - wer kann denn auch ahnen, dass ein "freier" Fluss nicht gerade verläuft, sondern tausende Schlingen macht? Also wirklich.... (Semester I lässt grüßen) Nach dieser Erfahrung schwöre ich mir, auf den kleinen Trampelpfaden zu bleiben und keine Abkürzungen zu nehmen, die sowieso keine sind - daran hätte ich mich mal später halten sollen.

Nach diesen Strapazen wartete aber ein wunderschöner Strand auf mich, der von der Sonne hell erleuchtet und gleichzeitig erwärmt wurde - das war wunderbar.


(Sicht nach vorne)



(Sicht nach hinten)



(Sicht auf mich)



(Sicht auf Fernseher)


Fast am Ende meiner Tour stört nur der riesige Kadaver einer mutmaßlichen Kegelrobbe und der unglaubliche Gestank, der sich über den Strand legt. Dem Zustand nach zu urteilen liegt sie hier schon einige Zeit - die Haut ist schon gegärbt und Fliegen höhlen den Leichnam aus.
Nur ein paar Fotos für Vilnis und ich mache mich schnellstens auf, meine Lungen mit frischer Luft zu versorgen.





(Vermutlich eine Kegelrobbe – Grey Seal – Halichoerus grypus)

Einige hundert Meter weiter liegt denn auch schon der Fluss Mazirbe - der Fluss, der "meinem" Dorf den Namen gegeben hat. Nun darf ich denn auch meine Gummistiefel austesten. Auf der anderen Seite angekommen lasse ich die Schuhe aber an - bei jedem noch so kleinen Stopp setzen sich sofort (ich meine wirklich sofort) ~20 Mücken auf mich. Da es ja nicht mehr weit ist lasse, ich sie halt an.

Doch anstatt jetzt den normalen Weg zu laufen denke ich eine Abkürzung ausgemacht zu haben - fail! Nach etwa 800 Metern komme ich an einen anderen Fluss, in dem i h ganz versinken würde, wie sich nach einem kurzen Test (Auch hierzu ist der Stock wunderbar geeignet!) feststellt. Aber zurück laufen? Ach was! Irgendwann kommt bestimmt eine Brücke.
Die kommt auch - aber was für eine! Diese Holzbrücke ist eher ein verrotteter Steg, der sich in der Mitte bereits bedenklich ins Wasser neigt. Sei kein Weichei denke ich mir! Also versuche ich mein Glück und setze erst einen Fuß auf die Brücke, dann den zweiten und nach einem kurzen Wipptest inklusive lauten Knacken sehe ich zu, so schnell wie möglich Land zu gewinnen.


Der weitere Umweg führt mich durch hohes, mit Spinnen und Mücken durchsetztes Gebüsch und über kleine Seitenarmen des Flusses, die meine Stiefel locker aushalten. Dann komme ich schließlich doch noch an eine vertrauenswürdige Brücke - mit Logo des Baltic Green Belt projects! Auch wenn die Brücke hier etwas überdimensioniert erscheint (eine nicht morsche Latte hätte mir bereits gereicht) bin ich froh, sie hier zu haben.



Die letzten hundert Meter (Das GPS gibt eine zurückgelegte Strecke von mehr als 12 Kilometern an) lege ich fast leichtfüßig zurück und ich feiere mein Heimkommen mit einer schönen Dusche. (Das braune Wasser stört nimmer)